Die Physik in Hamburg hat eine lange Tradition, die bis zum 1613 geschaffenen Lehrstuhl für Physik und Mathematik des "Akademischen Gymnasiums" zurückreicht. In der Zeit von 1629 bis 1657 war Joachim Jungius Inhaber dieses Lehrstuhls, der aufgrund seiner Verdienste zum Namenspatron der Straße wurde, an der die Hamburger Physik ihre Heimat gefunden hat. Das "Physikalische Kabinett" des Akademischen Gymnasiums war der Vorläufer des 1885 errichteten "Physikalischen Staatslaboratoriums", welches 1921 unter der Bezeichnung "Physikalisches Staatsinstitut" in die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät der 1919 gegründeten "Hamburgischen Universität" integriert wurde. (siehe W. Legler, in "75 Jahre Institut für Angewandte Physik 1925 – 2000: Von der Hochfrequenz zur Mikrostrukturforschung").
Die Staatsinstitute an der Jungiusstraße um 1900. Im Hauptgebäude rechts das Physikalische und links das Chemische Staatslaboratorium.
Portrait von Otto Stern (1888-1969) und die Gedenktafel in Würdigung seines Wirkens neben dem Eingang des Gebäudes Jungiusstraße 9a.
Neben den am „Physikalischen Staatsinstitut“ beheimateten Fachgebieten „Experimentalphysik“ und „Theoretische Physik“ (seit 1921) wurde 1923 das Fach „Physikalische Chemie“ zum Ordinariat erklärt. Erster Inhaber dieses Lehrstuhls war Otto Stern, der bis zu seiner Vertreibung im Jahr 1933 durch die Nationalsozialisten zehn Jahre an der Jungiusstraße gewirkt hatte. Otto Stern erhielt 1943 für seine bahnbrechende Entdeckung des anomalen magnetischen Moments des Protons, basierend auf der Molekularstrahlmethode, den Nobelpreis für Physik. Entwicklungen wie die Kernspintomographie, Atomuhren und Laser basieren wesentlich auf den Erkenntnissen von Otto Stern. Seinem Wirken ist eine Gedenktafel am Eingang des Gebäudes 9a gewidmet, welches er zwei Jahre vor seiner Vertreibung als Neubau beziehen konnte.
Zur Zeit Otto Sterns war auch Wolfgang Pauli von 1923 bis 1928 als Professor an der Jungiusstraße tätig. Für seine Entdeckung des sogenannten "Ausschließungsprinzips", weithin über Fächergrenzen hinweg bekannt als "Pauli-Prinzip", erhielt er 1945 den Nobelpreis für Physik.
Als dritter Physik-Nobelpreisträger war J. Hans D. Jensen über viele Jahre an der Jungiusstraße tätig. Er wurde 1907 in Hamburg geboren, promovierte 1932 im Fach Physik und arbeitete danach als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Theoretische Physik. Nach seiner Habilitation 1936 erhielt er im darauf folgenden Jahr eine Privatdozentur, bevor er 1941 einem Ruf an die Technische Hochschule in Hannover und 1949 an die Universität Heidelberg folgte. Im Jahre 1963 erhielt er den Nobelpreis für Physik gemeinsam mit Eugene Wigner und Maria Goeppert-Mayer für bahnbrechende Arbeiten im Zusammenhang mit der Schalenstruktur der Atomkerne.
Die große Tradition der Hamburger Physik am Standort Jungiusstraße wird durch viele weitere große Namen begründet, allen voran Ernst Ising, der im Rahmen einer Doktorarbeit am Institut für Theoretische Physik das allen Physikern bekannte "Ising-Modell" zur Beschreibung des Verhaltens des Spins, dem Eigendrehmoment von Elektronen, in bestimmten Materialklassen entwickelte. Interessanterweise spielt die Physik des Spins bereits seit den Zwanzigerjahren eine zentrale Rolle für die herausragenden Beiträge der Hamburger Physik in der Jungiusstraße, sowohl im Bereich der experimentellen Forschung als auch im Bereich der Theorie. Diese große Tradition wird auch heute noch durch zahlreiche Exzellenzprogramme auf Landes-, Bundes-, EU- sowie internationaler Ebene fortgeführt.